
Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung ehrt heute im Rahmen des zweiten Alumni-Tags in Frankfurt am Main fünf herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Publikationspreis 2025. Die Preisträgerinnen und Preisträger werden für besonders exzellente Publikationen ausgezeichnet, die im Jahr 2024 erschienen sind und aus einer Förderung der Stiftung hervorgegangen sind. Die Auszeichnung ist mit jeweils 10.000 Euro dotiert, die den Forschenden zur privaten Verwendung zur Verfügung stehen.
Folgende Preisträgerinnen und Preisträger wurden von der Wissenschaftskommission der Stiftung ausgewählt:
Prof. Dr. Ricardo Grieshaber-Bouyer, Medizinische Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie, Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg und Universitätsklinikum Erlangen, für sein Paper „Bispecific T cell engager therapy for refractory rheumatoid arthritis“ in Nature Medicine: https://www.nature.com/articles/s41591-024-02964-1
Die rheumatoide Arthritis ist eine chronische Autoimmunerkrankung, die zu Gelenkentzündungen führt. Verschiedene immunsuppressive Medikamente sind zur Behandlung zugelassen, jedoch spricht ein erheblicher Anteil der Patientinnen und Patienten nur unzureichend auf die etablierten Therapien an. B-Zellen spielen bei der rheumatoiden Arthritis eine wichtige Rolle. In einer Studie setzten Ricardo Grieshaber-Bouyer und sein Team erstmals T-Zell-Engager zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis ein. T-Zell-Engager bauen eine Brücke zwischen T-Zellen und B-Zellen und führen so zur Abtötung der B-Zellen. Die Therapie mit dem T-Zell-Engager Blinatumomab war gut verträglich, reduzierte effektiv die B-Zellen im Blut und in den Gelenken und führte zu einem deutlichen Rückgang der Gelenkentzündungen. T-Zell-Engager könnten daher eine neue Behandlungsoption für Erkrankte mit rheumatoider Arthritis und anderen Autoimmunerkrankungen darstellen.
Dr. Jan-Michel Heger, Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln, für sein Paper „Circulating Tumor DNA Sequencing for Biologic Classification and Individualized Risk Stratification in Patients With Hodgkin Lymphoma“ in Journal of Clinical Oncology: https://doi.org/10.1200/JCO.23.01867
Im Rahmen des ausgezeichneten Projekts haben sich Jan-Michel Heger und sein Team intensiv mit dem genetischen Fingerabdruck des Hodgkin Lymphoms beschäftigt. Das Hodgkin Lymphom ist eine bösartige Erkrankung, die vor allem junge Erwachsene betrifft. Durch den Einsatz von Chemotherapie und Bestrahlung kann die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten zwar geheilt werden, müssen aber jahrzehntelang mit möglichen Folgeschäden wie Unfruchtbarkeit oder Funktionseinschränkungen lebenswichtiger Organe leben. Mit Hilfe einer einzigen Blutprobe konnten die Forschenden den genetischen Fingerabdruck des Hodgkin Lymphoms von mehreren hundert Patientinnen und Patienten anhand kleiner DNA-Schnipsel aus dem Tumorgewebe untersuchen. Dabei konnten sie drei verschiedene Subtypen des Hodgkin Lymphoms identifizieren. Zwei dieser Subtypen weisen Veränderungen auf, die eine sehr gute Wirksamkeit von Immuntherapien erwarten lassen. Ziel ist es nun, Patientinnen und Patienten mit Hodgkin Lymphom, deren Tumor eine entsprechende genetische Prägung aufweist, gezielt mit einer Immuntherapie zu behandeln, um Nebenwirkungen und Folgeschäden von Chemo- und Strahlentherapie zu reduzieren.
Felicitas E. Hengel, III. Medizinische Klinik und Poliklinik (Nephrologie/ Rheumatologie/Endokrinologie), Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, für ihr Paper „Autoantibodies Targeting Nephrin in Podocytopathies“ in The New England Journal of Medicine: https://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa2314471
Autoimmunerkrankungen der Niere (auch „Minimal Change Disease“, „Primäre Fokal-Segmentale Glomerulosklerose“ und „Idiopathisches Nephrotisches Syndrom“ genannt), führen zu einem massiven Eiweißverlust über den Urin. Der daraus resultierende Eiweißmangel führt u.a. zu Fettstoffwechselstörungen, Immunschwäche und Flüssigkeitsansammlungen im Körper. Um die Ursache dieser Erkrankungen zu verstehen, untersuchten Felicitas E. Hengel und ihr Team Patientinnen und Patienten auf das Auftreten von Autoantikörpern gegen Nephrin – ein Signalprotein der Zellen in der Niere, die die Blut-Urin-Schranke bilden. Sie entwickelten ein neues Testverfahren zur verlässlichen Quantifizierung von Anti-Nephrin-Autoantikörpern und konnten diese bei einem Großteil der Patientinnen und Patienten im Blut nachweisen. Dabei korrelierten die Antikörpertiter mit der Krankheitsaktivität. Außerdem entwickelten sie ein Tiermodell, in dem sie die Pathomechanismen der Anti-Nephrin-Autoantikörper im Detail untersuchen konnten. Die Arbeiten ermöglichen ein neues Verständnis der Krankheitsursache und ebnen den Weg für eine präzisere Diagnostik, eine genauere Prognose und eine ursachengerechte Therapie.
Dr. Susanne Meinert, Institut für Translationale Psychiatrie, Universität Münster, für ihr Paper „Associations between white matter microstructure and cognitive decline in major depressive disorder versus controls in Germany: a prospective case-control cohort study“ in Lancet Psychiatry: https://www.thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366(24)00291-8/fulltext
Kognitive Defizite wie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme betreffen Menschen mit Depressionen nicht nur in akuten Krankheitsphasen, sondern oft auch darüber hinaus. Die bislang umfangreichste Langzeitstudie zu diesem Thema mit 881 Teilnehmern (davon 418 mit Depressionen) zeigt nun: Betroffene leiden unter stärkeren kognitiven Defiziten. Gleichzeitig nimmt die Integrität zentraler Hirnfaserverbindungen mit der Zeit schneller ab. Diese Veränderungen sowie auch ein ungünstiger Krankheitsverlauf (z.B. mehr Krankheitsphasen während der Studiendauer) sagten unabhängig voneinander eine weitere Verschlechterung der Denkleistung voraus. Die Ergebnisse, die sich trotz vielfältiger statistischer Korrekturen als äußerst robust erwiesen, unterstreichen, dass Veränderungen in der Hirnstruktur und die Prävention neuer depressiver Episoden zentrale Ansatzpunkte für zukünftige Therapien sind.
Marcel S. Woo, Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, für sein Paper „STING orchestrates the neuronal inflammatory stress response in multiple sclerosis“ in Cell: https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0092867424005762
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Gehirns und des Rückenmarks. Die anhaltende Entzündung führt zum Untergang von Nervenzellen und neurologischen Einschränkungen. Bisherige Therapien können diesen Prozess nicht aufhalten oder verlangsamen. In dieser Arbeit haben konnten Marcel S. Woo und sein Team einen neuen Signalweg identifizieren, der zum Absterben von Nervenzellen beiträgt. Durch eine Kombination von bioinformatischen, biochemischen und genetischen Analysen haben sie entdeckt, dass das Protein „STING“ ausschließlich bei Entzündungen in Nervenzellen hochreguliert wird und einen bestimmten Zelltod-Signalweg aktiviert. Die Blockade dieses Signalwegs schützt in präklinischen MS-Modellen vor dem Absterben von Nervenzellen und stellt einen neuen therapeutischen Ansatz für die Behandlung von MS und möglicherweise anderen neurologischen Erkrankungen dar.